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Schulden, Steuern, Strukturwandel: Wie Merz das deutsche Wachstumsmodell neu erfinden will


Mit einem Sondervermögen von 500 Milliarden Euro und umfassenden Steuererleichterungen plant die Bundesregierung einen tiefgreifenden Kurswechsel – weg von der Exportfixierung, hin zu einer gestärkten Binnenwirtschaft. Doch Ökonomen bleiben skeptisch, ob dieser ambitionierte Umbau gelingen kann.


Der Neustart: Merz setzt auf Investitionen statt Sparpolitik

Nach Jahren der wirtschaftlichen Stagnation und schwachen Wachstumszahlen schlägt die Bundesregierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) einen neuen wirtschaftspolitischen Weg ein. Herzstück ist ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro – ein Betrag, der alle bisherigen staatlichen Investitionsprogramme in der Bundesrepublik übertrifft. 100 Milliarden davon sollen direkt an die Länder gehen. Ziel: Die deutsche Wirtschaft aus ihrer Exportabhängigkeit befreien und eine nachhaltige, binnengetriebene Wachstumsdynamik schaffen.

Bei einem für den 18. Juni anberaumten Spitzentreffen mit den Ministerpräsidenten will Merz über die Verteilung und Umsetzung des Programms beraten. Es ist ein Wendepunkt in der deutschen Finanz- und Wirtschaftspolitik – und ein Bruch mit dem traditionellen Mantra der „schwarzen Null“.


Finanzminister Klingbeil liefert den steuerpolitischen Unterbau

Entscheidend flankiert wird das Investitionspaket durch ein groß angelegtes Steuerreformprogramm, das von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) verantwortet wird. Es sieht unter anderem eine schrittweise Absenkung der Körperschaftsteuer, erweiterte Abschreibungsregeln für Investitionen sowie steuerliche Entlastungen für kleine und mittlere Unternehmen vor. Damit sollen private Investitionen wieder Fahrt aufnehmen – ein Effekt, auf den die Bundesregierung dringend hofft.

Klingbeil betont: „Der Staat investiert gezielt in die Zukunft – gleichzeitig geben wir der Wirtschaft Luft zum Atmen. Nur so schaffen wir den Übergang zu einem neuen Wachstumsmodell.“


Abkehr vom Export – hin zu einer robusten Binnenökonomie

Deutschlands Geschäftsmodell beruhte jahrzehntelang auf Exportüberschüssen, besonders gegenüber China und den USA. Doch in einer zunehmend fragmentierten Weltordnung mit gestörten Lieferketten, geopolitischen Spannungen und sinkender Nachfrage aus Fernost verliert dieses Modell an Strahlkraft. Die neue Strategie: Wachstum durch inländische Nachfrage, Investitionen und Innovation.

Das Sondervermögen soll unter anderem in folgende Bereiche fließen:

  • Sanierung und Ausbau der Infrastruktur, insbesondere Brücken, Bahnstrecken und digitale Netze.

  • Förderung von Wohnungsbau und kommunaler Daseinsvorsorge, um soziale Spannungen zu entschärfen.

  • Investitionen in Energieeffizienz und klimafreundliche Technologien, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.


Kritik von Ökonomen: Risiken nicht unterschätzen

Trotz der politischen Entschlossenheit gibt es erhebliche Zweifel am Erfolg des Konzepts. Viele Ökonominnen und Ökonomen kritisieren, dass das geplante Sondervermögen an klaren Prioritäten und messbaren Reformzielen fehle. Sie warnen vor einem „Verteilungsautomatismus ohne Strukturwirkung“, wie es ein Mitglied des Sachverständigenrats formuliert.

Hinzu kommt die Sorge um die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen. Zwar wird die Schuldenbremse formal eingehalten, da das Sondervermögen als Nebenhaushalt geführt wird – doch langfristig könnten steigende Zinsen und Refinanzierungsbedarf künftige Haushalte belasten.

Auch gesellschaftlich bleibt fraglich, ob der Wandel zu einem konsumorientierteren Modell gelingt. Die Deutschen gelten traditionell als vorsichtige Sparer, insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit.


Analyse: Chancen, Risiken und Szenarien der neuen Strategie

1. Chance auf einen Modernisierungsschub

Wenn das Sondervermögen konsequent in produktive Zukunftsbereiche fließt, könnte Deutschland an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen – durch Digitalisierung, moderne Industrieprozesse und klimaneutrale Technologien. Besonders Regionen mit strukturellem Investitionsstau könnten profitieren.

2. Risiko der politischen Zersplitterung

Die Mittelvergabe an die Länder birgt erhebliche Koordinationsrisiken. Unterschiedliche politische Prioritäten und Verwaltungsstrukturen könnten die Umsetzung verzögern. Ohne klare Kontrolle droht ein Flickenteppich ineffizienter Maßnahmen.

3. Reformdruck auf lange Sicht

Langfristig wird Deutschland nicht allein durch Ausgaben wachsen können. Es braucht tiefgreifende Reformen – etwa in der Verwaltung, beim Planungsrecht oder in der Steuerstruktur. Nur so lassen sich die neuen Mittel in dauerhafte Wertschöpfung umwandeln.


Fazit: Ein mutiger Plan mit ungewissem Ausgang

Die Bundesregierung wagt den großen Wurf. Mit viel politischem Kapital und finanzieller Feuerkraft will sie Deutschlands Wirtschaftsmodell neu ausrichten. Doch der Umbau ist komplex, die Widerstände sind erheblich – und die Erfolgschancen hängen entscheidend von der konkreten Umsetzung ab. Ob die Republik damit die Wachstumskurve tatsächlich wieder nach oben drehen kann, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen.

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