Baumarktbranche vor der Neuordnung: Warum Obi, Toom und Bauhaus den Ton angeben – und Hellweg ums Überleben kämpft
Die deutsche Baumarktbranche steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Schrumpfende Umsätze, steigende Kosten und sinkende Flächenproduktivität zwingen viele Händler zum radikalen Umbau – oder zur Aufgabe. Wer profitiert von der Krise, und was bedeutet das für den Markt der Zukunft?
Krise im Heimwerkerparadies: Die Ära der Megamärkte neigt sich dem Ende
Lange galten sie als Felsen in der Einzelhandelsbrandung: großflächige Baumärkte mit unerschöpflichem Sortiment, Parkplätzen in Stadtrandlage und Beratung von der Gartenpflanze bis zur Fliese. Doch dieser Mythos bröckelt. Die Zeiten, in denen Heimwerker pandemiebedingt zu Bohrmaschine und Rasenmäher griffen, sind vorbei – und die Branche erwacht mit einem Kater aus der Corona-Euphorie.
Wie drastisch die Lage ist, zeigt sich exemplarisch bei Hellweg. Mindestens sieben weitere Filialen stehen vor dem Aus, nachdem bereits die Märkte in Hanau und Münster geschlossen wurden. Der Inhaber, Markus Semer, spricht intern von einem „Befreiungsschlag“ – doch das klingt mehr nach Pflichtübung denn nach Strategie. Eine Refinanzierung mit den Banken steht an, Kooperationen wurden gekündigt, Alternativen scheiterten.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Seit 2022 schrumpft der deutsche Baumarktumsatz. Lag er 2019 noch bei 22,14 Milliarden Euro, waren es 2024 nur noch 20,92 Milliarden – bei steigenden Kosten ein toxischer Cocktail für viele Anbieter.
Wettbewerb verschärft sich: Wer jetzt Marktanteile gewinnt
Die sinkende Nachfrage macht den Markt enger – und schärft die Klingen im Kampf um Kunden, Fläche und Franchisepartner. Obi, einstige Nummer eins der Branche, nutzt die Schwäche der Wettbewerber konsequent aus. Fünf Hagebau-Franchisepartner mit insgesamt 18 Märkten und einem Umsatzvolumen von rund 200 Millionen Euro wechseln in diesem Jahr ins Obi-System – ein Schachzug, der Obi wieder zur Marktführerschaft katapultieren könnte.
Auch Toom, Tochter der Rewe-Gruppe, positioniert sich offensiv. Vorstand Jan Kunath sieht Übernahmen als Wachstumsstrategie, insbesondere wenn kleinere Ketten unter Druck geraten. Der gescheiterte Versuch, Hellweg vollständig zu übernehmen, war da nur ein Zwischenschritt. Bereits heute betreibt Toom 30 Franchisemärkte – weitere sollen folgen.
Bauhaus hingegen, still und effizient, setzt auf Flächenproduktivität statt Expansion. Über 2300 Euro Umsatz pro Quadratmeter sprechen für ein durchdachtes Konzept – getoppt nur von Hornbach mit knapp 3000 Euro. Zum Vergleich: Obi liegt bei rund 1500 Euro, Hagebau gar nur bei 1300 Euro.
Das große Messen: Wer bietet das attraktivste System für Partner?
Die Attraktivität eines Franchisesystems ist längst zum zentralen Faktor geworden. Anbieter wie Obi locken mit finanzieller Unterstützung beim Umbau, versprechen höhere Umsätze und mehr Effizienz – Argumente, die vor dem Hintergrund sinkender Margen schwer wiegen. Der Systemwechsel ist teuer, aber auch eine Chance auf Zukunftsfähigkeit.
Hagebau hat das Nachsehen: Personalabbau in der Zentrale, unbesetzte Führungsposten und die Abwanderung wichtiger Franchisepartner sprechen für strukturelle Schwächen. Die Gruppe kämpft um ihre Relevanz – ein Kampf, der an Tempo und Härte gewinnt.
Analyse: Marktbereinigung als Katalysator für neue Geschäftsmodelle
Die Situation der Baumarktbranche ist symptomatisch für viele stationäre Handelssegmente: große Flächen, hohe Fixkosten, Kapitalbindung durch Lagerbestände – ein Geschäftsmodell, das zunehmend an seine Grenzen stößt. Die Konsolidierung wird nicht nur zur Notwendigkeit, sondern zur Überlebensstrategie.
Chancen liegen vor allem bei den Großen: Obi und Toom, gestützt durch finanzkräftige Muttergesellschaften, sind in der Lage, schwächere Wettbewerber aufzukaufen oder deren Marktanteile durch Franchisepartnerschaften zu übernehmen. Für Bauhaus und Hornbach bietet die hohe Produktivität auf kleiner Fläche ein nachhaltiges Fundament, um sich langfristig als Qualitätsführer zu behaupten.
Risiken drohen kleineren und mittelgroßen Anbietern wie Globus oder Hagebau. Ohne kritische Masse geraten sie in die Abhängigkeit von Großsystemen oder drohen, aus dem Markt gedrängt zu werden. Auch Hellweg steht exemplarisch für das Dilemma: zu groß zum Aufgeben, zu schwach für die Expansion.
Langfristig ist mit einer Marktstruktur wie in den USA zu rechnen, wo ein oder zwei dominante Anbieter mehr als die Hälfte des Marktes kontrollieren. Die deutsche Kleinteiligkeit wird sich in diesem Wettbewerb kaum behaupten können – außer sie findet Wege, sich durch Spezialisierung oder regionales Profil zu differenzieren.
Fazit: Der Baumarkt der Zukunft wird kleiner, digitaler – und selektiver
Die goldenen Zeiten des DIY-Booms sind vorbei. Der Kunde sucht nicht mehr zwangsläufig Inspiration im 30.000-Quadratmeter-Markt am Stadtrand. Er googelt, klickt – und erwartet nahtlose Omnichannel-Erlebnisse. Anbieter, die das verstehen und ihre Konzepte entsprechend transformieren, haben eine Zukunft.
Obi, Toom und Bauhaus zeigen, wie das gehen kann. Wer das nicht schafft, wird Teil der anstehenden Marktbereinigung – oder verschwindet ganz.
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