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Argentinien kämpft mit der Realität: Sinkende Armutsquote, fallende Zustimmung für Präsident Milei


Trotz eines Rückgangs der Armut verliert Argentiniens Präsident Javier Milei an Rückhalt. Der wirtschaftsliberale Kurs bringt kurzfristige Erfolge – doch die Bevölkerung leidet unter drastischen Sparmaßnahmen.

Argentinien verzeichnet einen Rückgang der Armutsquote – ein positives Signal aus einem Land, das lange Zeit unter chronischer Wirtschaftskrise, Hyperinflation und Sozialkrisen litt. Doch für Präsident Javier Milei bedeutet diese Entwicklung kein politisches Aufatmen. Im Gegenteil: Die Zustimmung zu seiner Regierung schwindet. Die Gründe dafür liegen in der sozialen Realität hinter den Zahlen – und in Mileis kompromissloser Agenda.


Statistischer Fortschritt – soziale Frustration

Laut dem argentinischen Statistikamt ist die Armutsquote im ersten Quartal 2025 auf 35,6 Prozent gesunken – das entspricht einem Rückgang von knapp fünf Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. In einem Land mit rund 46 Millionen Einwohnern bedeutet das: Hunderttausende Menschen gelten formal nicht mehr als arm.

Doch die Zahlen täuschen über die Lebenswirklichkeit vieler Argentinier hinweg. Während die Inflationsrate zwar gesunken ist, bleiben die Preise für Lebensmittel, Energie und Mieten hoch. Viele Haushalte leben weiterhin am Existenzminimum – mit drastisch gekürzten Sozialleistungen und unsicherer Beschäftigung.


Mileis ultraliberale Agenda: Wirtschaft first, Bevölkerung second?

Javier Milei, der sich selbst als „Anarchokapitalist“ bezeichnet, hat seit seinem Amtsantritt im Dezember 2023 ein radikales Reformpaket umgesetzt: Deregulierung, Privatisierungen, Subventionsabbau und eine massive Kürzung öffentlicher Ausgaben. Sein Ziel: die chronische Haushaltsverschuldung stoppen und die Wirtschaft liberalisieren.

Tatsächlich zeigen erste Indikatoren, dass die argentinische Währung stabilisiert und das Haushaltsdefizit gesenkt werden konnte. Doch die Kehrseite: Öffentliche Gesundheitsversorgung, Bildungseinrichtungen und soziale Programme wurden massiv beschnitten. Die gesellschaftlichen Kosten dieser Sparpolitik sind hoch – und politisch explosiv.


Proteste auf der Straße – Gegenwind aus dem Parlament

In den großen Städten Argentiniens wächst der Widerstand. Gewerkschaften, Studierende und Rentner protestieren regelmäßig gegen Kürzungen, Privatisierungen und steigende Lebenshaltungskosten. Auch konservative Kräfte und ehemalige Verbündete wenden sich zunehmend von Milei ab – im Kongress blockieren Abgeordnete mehrere zentrale Reformgesetze.

Besonders kritisch wird Mileis autoritärer Politikstil gesehen: Mit Dekreten regiert er am Parlament vorbei, seine Rhetorik ist konfrontativ, oft polarisierend. Gegner werfen ihm vor, demokratische Institutionen zu schwächen und soziale Spannungen bewusst in Kauf zu nehmen.


Vertrauen schwindet – und mit ihm die Machtbasis

Aktuelle Umfragen zeigen: Nur noch 34 Prozent der Argentinier stehen hinter Milei – ein drastischer Rückgang gegenüber den 55 Prozent bei seinem Amtsantritt. Vor allem in ärmeren Provinzen hat er an Rückhalt verloren. Selbst in wirtschaftsliberalen Kreisen mehren sich Zweifel, ob sein harter Sparkurs politisch tragfähig bleibt.

Zwar verspricht Milei langfristiges Wachstum durch marktwirtschaftliche Reformen, doch viele Argentinier erleben stattdessen kurzfristigen Verlust: von Jobs, sozialer Sicherheit und Lebensqualität. Die Schere zwischen Statistik und Empfinden geht auseinander – mit gefährlichen Konsequenzen für das politische Klima.


Analyse: Zwischen Hoffnung auf Reform und Gefahr sozialer Spaltung

Chancen:

  • Mileis Sparkurs könnte Argentinien langfristig helfen, Vertrauen internationaler Investoren zurückzugewinnen.

  • Ein stabiler Haushalt und sinkende Inflation schaffen theoretisch Spielraum für zukünftige Wachstumsimpulse.

  • Reformen im Arbeitsmarkt und Energiesektor könnten mittelfristig neue Dynamik bringen – wenn sie sozial abgefedert werden.

Risiken:

  • Soziale Unruhen und politische Instabilität gefährden das Investitionsklima.

  • Eine zu schnelle und harte Umsetzung neoliberaler Reformen könnte zu einer Verarmung weiter Bevölkerungsschichten führen.

  • Der Verlust institutioneller Glaubwürdigkeit durch autoritäre Regierungsführung schwächt die Demokratie.

Szenarien:

  • Positiv: Milei gelingt es, soziale Spannungen durch gezielte Ausgleichsmaßnahmen zu entschärfen – die Reformen tragen erste Früchte.

  • Neutral: Die wirtschaftliche Stabilisierung verlangsamt sich, Reformen geraten ins Stocken, politische Polarisierung bleibt.

  • Negativ: Der soziale Druck eskaliert, Milei verliert die Kontrolle über das Parlament, Neuwahlen rücken näher.

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